Als Werbung noch in den Kinderschuhen steckte
(Artikel vom 19.09.2012 / Regensburg Stadt | Stadtteile Regensburg)
Sammelbilder und Sticker sind keine neue Erfindung. Anfang des 20. Jahrhunderts sammelte man Reklamemarken. Kulturreferent Unger tut es bis heute.
VON CLAUDIA BÖKEN, MZ
REGENSBURG. Briefmarken sammeln viele Leute. Für philatelistisch nicht vorgebildete Zeitgenossen ist dieses Hobby eher langweilig, wenn sie entsprechende Alben anschauen sollen. Ganz anders ist es bei den Marken, die Kulturreferent Klemens Unger zusammengetragen hat. Auf den ersten Blick ähneln sie Briefmarken, auch weil die meisten von ihnen über einen gezahnten Rand verfügen. Tatsächlich aber sammelt Unger Reklamemarken. Ihn fasziniert daran die Entwicklung der häufig touristischen Werbung und die liebevolle Gestaltung der Botschaften im Miniaturformat, die sogar von Künstlern stammten.
Marken statt Siegel
Wann erstmals jemand auf die Idee kam, kleine Marken zu Werbezwecken drucken zu lassen, weiß niemand ganz genau. Unger vermutet, dass Städte Ende des 19. Jahrhunderts begannen, offizielle Briefe nicht mehr mit dem Siegel, sondern mit einer Marke zu verschließen, die das jeweilige Wappen zeigte. Beispiele davon hat er unter anderem aus Regensburg, Straubing, Amberg und Beilngries in seiner Sammlung. Die kommunale Werbung erinnert aber auch an heutige Poststempel, die beispielsweise für die Welterbestadt Regensburg werben.
„Die Marken haben auch etwas mit Tourismus zu tun“, erklärt Unger anhand seiner Alben: Die ersten Regensburger Motive sind auf Marken des Waldvereins Regensburg zu finden – beispielsweise eine romantische Zeichnung des Max-Schulze-Steigs, von Pielenhofen, Etterzhausen oder Kelheim – „alles Ziele, die bei einem Familienausflug erreichbar waren“, so der frühere Tourismus-Manager. „Besuchet Passau“ appelliert eine Marke aus der Drei-Flüsse-Stadt – herausgegeben von der Geschäftsstelle der Waldvereinssektion Passau. „Besuchet den Dreisessel, schönster Punkt im bayr. Wald“ heißt es auf einer anderen. Und Regen wird gar als „Nizza des bayer. Waldes“ gepriesen. „Wintersport, gute Gasthöfe, Eilzugstation, gute Automobilverbindungen, herrlich gelegen, 45 Tagwerk schattige, wohlgepflegte Anlagen, schöne billige Bauplätze für Villen“. All das ist nebst einer Zeichnung der Ruine Weissenstein auf der kleinen Marke zu lesen.
Das „Brückenmannlein“
„Kehret ein in Regensburg“ werben mehrere Marken mit Regensburger Stadtwappen, die unter anderem den Dom, die Neupfarrkirche oder die Kaiserpfalz am Alten Kornmarkt zeigen. Das „Brückenmännlein“, der Haidplatz und das Ostentor – ebenfalls Marken dieser Serie – machen die Werbung schon deutlicher: „Josef Gruber, Regensburg, Gutenbergplatz 2. Kohlepapier für alle Schreibmaschinen und Durchschlagzwecke“ ist da zu lesen. Die Reklame bleibt aber auch da meist dezent, wo die Marken Produktwerbung machen: Für Produkte der Regensburger Bleistiftfabrik Rehbach, für den „Schmalzlerfranzl“ der Gebrüder Bernard oder den „Walhalla-Likör“ von A. Hönigsberger und Sohn – Firmen, an die sich die heutige Generation nicht einmal mehr vom Namen her erinnert. Die Marken sollten zu ihrer Zeit zum Sammeln animieren, und das taten sie aufgrund der Motive.
Dass 100 Jahre später diese Art von Reklame so viele Liebhaber finden würde mit Tauschbörsen im Internet und Angeboten bei Ebay konnte damals ja niemand wissen. So wertvoll wie Briefmarken sind die Reklamemarken zwar nicht, aber das ist Klemens Unger egal. Ihm geht es um Lokalkolorit und Zeitgeschichte. Aufgrund der Abbildungen und vor allem der werbenden Firmen kann man ungefähr einschätzen, von wann die Marken stammen. Jahreszahlen sind eher die Ausnahme – etwa wenn speziell für ein Ereignis geworben wird, wie die große Regensburger Kreisausstellung 1910. Die große Zeit der Werbemarken ging wohl in den frühen 50er-Jahren zu Ende – auch das ist aber mehr eine Vermutung Ungers, weil statt der gezeichneten Motive plötzlich fotografierte Regensburg-Ansichten abgebildet werden, wie sie zu der damaligen Zeit auf Postkarten zu sehen waren. Wie interessant die Minizeitzeugen sind, beweist auch, dass ihnen im künftigen Museum der bayerischen Geschichte Platz eingeräumt werden soll.
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